Identifizierung klinischer Daten
Relevante Daten für die klinische Bewertung können vom Hersteller vorgehalten oder aus der wissenschaftlichen Literatur beschafft werden.
Zu den Daten vom Hersteller gehören z.B. Daten aus präklinischen und klinischen Studien oder aus der Marktbeobachtung nach Inverkehrbringen des Medizinproduktes. Zu den wissenschaftlichen Daten gehören z.B. Publikationen über das Produkt (von Dritten durchgeführte Studien), Publikationen über Vergleichsprodukte oder auch Meldungen über Vorkommnisse mit dem Produkt und Vergleichsprodukten.
Literatursuche
Die Suche in Literaturdatenbanken dient dazu um an klinische Daten zu gelangen, die dem Hersteller nicht vorliegen und die dazu verwendet werden können, um den Nachweis der Leistung und der Sicherheit des Medizinproduktes zu erbringen. Die über die Literatursuche identifizierten Daten können entweder direkt mit dem zu bewertenden Produkt im Zusammenhang stehen oder mit Vergleichsprodukten.
Bei einigen Medizinprodukten kann es möglich sein, dass die über die Literatursuche identifizierten klinischen Daten den größeren (wenn nicht sogar den gesamten) Teil der Daten zur Erbringung des klinischen Nachweises (clinical evidence) ausmachen. Daher sollte bei der Durchführung der Suche darauf geachtet werden, dass diese einen angemessenen Umfang hat.
Publizierte Daten müssen im Hinblick auf ihren Beitrag zur Erbringung des Nachweises der Leistung und der Sicherheit des zu bewertenden Produkte bewertet und gewichtet werden. Publikationen, die z.B. auf Grund eines mangelhaften Studiendesigns als nicht relevant bezüglich der Leistung des Produktes eingestuft wurden, können durchaus relevante Daten hinsichtlich der Sicherheit des Medizinproduktes enthalten.
Schlüsselelemente der Literatursuche
Die Suchstrategie sollte sich an sorgfältig formulierten Fragestellungen orientieren. Es sollte ein Suchprotokoll erstellt werden um relevante Publikationen zur Beantwortung der Fragestellungen zu identifizierten, auszusuchen und zusammenzustellen. Hierbei ist darauf zu achten, dass die mit der Suche betraute Person entsprechende Erfahrung mit Literatursuchen hat und auch die Fragestellungen gemäß den Anforderungen des Herstellers formulieren kann. Der Einsatz von Spezialisten auf dem Gebiet kann hilfreich sein um den Erfolg der klinischen Bewertung sicherzustellen.
Nachdem die Literatursuche durchgeführt wurde ist ein Bericht über die Suche zu erstellen in dem die Resultate präsentiert werden. Eine Kopie des Berichtes ist der klinischen Bewertung beizufügen. MEDDEV 2.7.1. Rev3 gibt im Anhang A ein Beispiel dazu, wie ein solcher Bericht aussehen kann.
Darüber hinaus muss die Literatursuche umfangreich dokumentiert werden um folgende Punkte zu gewährleisten:
– die Suchmethode muss kritisch beurteilt werden können
– dass Ergebnisse der Suche muss verifiziert werden können
– die Suchmethode muss nachvollziehbar sein um die Suche ggf. rekonstruieren zu können
Auch dazu gibt MEDDEV 2.7.1. Rev3 ein Beispiel im Anhang B
Daten aus der klinischen Erfahrung
Diese Daten kommen aus der klinischen Anwendung des Produktes oder von Vergleichsprodukten. (Hier sind nicht die klinischen Studien gemeint!)
Unter anderem gehören folgende Daten dazu:
– Post market surveillance Bericht
– Produktregister oder Kohorten-Studien
– Meldungen über Vorkommnisse (z.B. aus Behörden-Datenbanken oder vom Hersteller)
– Daten aus Fallstudien mit einzelnen Patienten vor Inverkehrbringen des Medizinproduktes
– Daten über korrektive Maßnahmen (z.B. Rückrufe, Warnhinweise, Meldungen)
Der Vorteil dieser Daten ist, dass es sich dabei um wirkliche Erfahrungswerte aus der Praxis handelt bei denen in den meisten Fällen davon auszugehen ist, dass es sich um weniger erfahrene Anwender und eine heterogener Patientenpopulation handelt. Die Daten helfen dabei, seltenere aber schwerere produktbezogene Vorkommnisse zu identifizieren und liefern somit auch Informationen über Langzeiterfahrungen mit dem Medizinprodukt. Diese Erfahrungen umfassen auch Daten bezüglich der Lebensdauer des Produktes, Fehlerarten und sie geben Aufschluss über die Lernkurve des Anwenders.
Darüber hinaus ist diese Datenquelle speziell für Medizinprodukte niedriger Risikoklassen hilfreich, für die weder in der wissenschaftlichen Literatur, noch in klinischen Studien Daten vorliegen, mit denen jedoch langjährige Praxiserfahrungen vorliegen und die als anerkannte Technologie gelten.
Daten aus klinischen Studien/Prüfungen
Klinischen Prüfungen müssen gemäß der geltenden Standards durchgeführt werden. In der Regel werden klinische Prüfungen gemäß EN ISO 14155-1 und 2 durchgeführt.
Unter anderem werden in der klinischen Studie folgende Dokumente erstellt, die für die klinische Bewertung herangezogen werden sollten:
- Studienplan (clinical investigation plan)
- Studienplan-Änderungen inkl. deren Begründung
- Zustimmung (Beschlüsse und Begründungen) der Ethikkommission und Kommentare
- Ort der Studiendurchführung und Kopien der freigegebenen Patienten-Einverständniserklärung und Dokumente zur Patienten-Information
- Formulare für die Berichte, das Monitoring und Auditberichte
- Zustimmung (und relevanter Schriftverkehr) der verantwortlichen Behörde
- Unterschriebener und datierter Abschlußbericht
Sollten Daten über klinische Studien mit Vergleichsprodukten oder mit dem zu bewertenden Produkt (von Dritten durchgeführte Studie) in der wissenschaftlichen Literatur identifiziert werden, so ist davon auszugehen, dass nicht mehr Daten, als die in der Publikation enthaltenen zugänglich sind.